Ein Wochenende fernab der Zivilisation

Hallo an Alle,

ich habe euch ja gesagt ihr sollt gespannt bleiben auf meinen Bericht vom letzten Wochenende.
Nun müsst ihr nicht mehr länger warten!

Durag Niwas Guesthouse bietet neben einer Unterkunft auch viele Aktionen an. Unter anderem ist es bekannt für die geführten Dorftouren. Govind schlug uns vor vom 19. bis zum 20. August ein Wochenende in Setrawa zu verbringen. Er selber konnte nicht dabei sein da er sich um seine Mutter kümmern musste. An seiner Stelle begleitete uns Banti, der oft solche Touren leitet.

Anfahrt

Wir packten also am Samstag Morgen unsere sieben (oder mehr) Sachen und fuhren gegen Mittag los. Dabei waren, neben Banti, noch ein Hausjunge, Roxanne, Alisea, Lauren, Sanae, Tabea und Violetta. In Setrawa trafen wir dann auf Camille, Aurelia und Melina.
Banti verstaute uns alle samt Gepäck in einem Jeep. Zugegeben es war etwas eng zu sechst auf der Rückbank. Die Temperatur war sehr hoch was, zusätzlich zu der Enge, die Schweißproduktion förderte. Wenigstens wurden wir etwas durch den Fahrtwind abgekühlt.

Wir waren noch nicht einmal eine halbe Stunde gefahren und befanden uns gerade mal am Rand vom Zentrum Jodhpurs, da hielt der Jeep. Ein Reifen hatte einen Platten! Die Gegend war sehr bergig und überall waren Steinbrüche. Wir stiegen aus und stellten uns an den Eingang eines Steinbruchs in den Schatten. Banti fuhr mit dem Wagen in die nächste Werkstatt. Es war unglaublich heiß und unser Wasser war auch sehr bald nicht mehr kühl sondern glich eher einem Tee. Gefühlt warteten wir eine Ewigkeit. Ich schätze es waren so in etwa 45 Minuten. Als Banti wieder kam verkündete er, dass es kein Loch im Reifen war sondern lediglich das Ventil welches nicht richtig zugeschraubt war. Der Ersatzreifen wurde also nicht gebraucht. Dann konnte die Fahrt weitergehen.
Eingequetscht im Jeep

Der platte Reifen wird begutachtet
 Kurzes Wort zum indischen Verkehr:
In Jodhpur geht es ja noch relativ geordnet zu doch nach Setrawa fuhren wir über Schnellstraße.  Eine Straße die ursprünglich für eine Fahrbahn und eine Gegenfahrbahn ausgelegt ist wird da schnell auf vierspurig ausgeweitet. Beim Überholen entgingen wir, gefühlt, jedes mal nur knapp dem Tod. Ständig wurde Zickzack um Busse, Lkws oder Kühe gefahren. Bei einem Blick auf die anderen Fahrzeuge sah man oft Anhänger voller Menschen die sich transportieren ließen. Unsere Fahrt war begleitet von ständigem Hupen und Staub in den Augen. Ich vertraue den indischen Autofahrern jedoch sehr, da es für diesen Fahrstil wirklich erstaunlich wenig Unfälle gibt.

Funfact:
Die Busse hier haben teilweise längere Melodien als Hupsignal. Klingt immer bisschen wie ein Eiswagen.

Transportmöglichkeiten
Die Sonne hinter uns lassen

Banti am Steuer




Govind versprach uns hungrigen Mädchen, dass wir am Abend in Setrawa ein Gericht mit Fleisch bekommen würden. Das Fleisch musste natürlich erstmal gekauft werden. Kurz vor unserem Ziel hielten wir an einer kleinen weißen Hütte mit einem Ziegengehege fernab der Straße. Banti suchte eine Ziege aus die daraufhin für uns geschlachtet wurde. Viele Freiwillige waren geschockt darüber. Verständlich. Andrerseits wird alles von diesem Tier verwendet, es ist frisches Fleisch, die Tiere haben einen natürlichen Lebensraum und der Besitzer wird direkt bezahlt. Wenn man tierische Produkte isst sollte man sich auch damit auseinandersetzten woher diese kommen.


Die Unterkunft

Nach etwas mehr als zwei Stunden erreichten wir dann endlich unser Ziel. Die Nacht durften wir in einem Haus verbringen welches Govind gehört. Es bestand aus einem einstöckigen Gebäudekomplex und drei einzelnen Wohnungen die wie eine Art Bungalow waren. Rundherum gab es wirklich nichts außer Pflanzen, Sand und vereinzelte Hütten. Bei unserer Ankunft wurden wir erstmal von einem Kamel vor dem Haus begrüßt. Die Mädchen aus Setrawa waren bereits eingetroffen und die restlichen Angestellten stellten sich uns vor. Wir konnten auswählen wo wir schlafen wollten und wir  entschieden uns zu zehnt auf einem der Bungalows unseren Schlafplatz zu errichten. Das war einfacher gesagt als getan da die Stufen zum Dach der Häuser nur aus langen Steinen bestanden die in die Wand gesteckt waren. Sie hatten einen Abstand von ca. einem Meter und ein Geländer suchte man vergeblich. Das Gebäude war gut 4 Meter hoch und wir hatten alle ein bisschen Angst.  Glücklicherweise schafften es aber alle heil hoch und wieder herunter.
Empfangskomitee
Der Bungalow und die Stufen des Todes


Kamelcar und Sonnenuntergang

Wir machten uns kurz frisch und brachen sofort zur ersten Attraktion auf: Kamelcar. Das Kamel vor dem Haus hatte eine Kutsche angehängt. Naja, es waren wohl eher Bretter die auf zwei Rädern befestigt waren. Wir quetschten uns zu zehnt auf die Fläche. Obwohl es am Anfang doch sehr instabil aussah brachte das Kamel und sein Begleiter uns sicher durch die Wüstenlandschaft zu einer Düne. Diese musste dann von uns erst einmal erklommen werden. Wir fühlten uns als würden wir im Treibsand einsinken. Ausgelaugt kamen wir oben auf der Düne an doch wurden mit einer Decke, Keksen, Chai, einem atemberaubenden Ausblick über die Landschaft und einem wunderschönen Sonnenuntergang belohnt.
"Watch the sunrise. Watch the sunset. How does that make you feel? Does it make you feel big or tiny? Because there's something good about feeling both."



Unser starkes Trampeltier
Alle hatten Platz

Fast geschafft




Dieser Ausblick!

Chai beim Sonnenuntergang

Atemberaubend







Als die Sonne untergegangen war brachte uns das Kamelcar wieder zu unserer Residenz.
Wir entfernten uns von Sand und Schweiß und trafen uns im Hinterhof wieder. Dort veranstaltete Banti für uns eine Kochshow speziell für die Zubereitung des Fleisches. Als er fragte wie scharf wir die Soße haben wollten antwortete keiner. Ich sagte mutig "Medium" was sich später als sehr scharf herausstellte. Das Essen war sehr lecker auch wenn wir uns teilweise fühlten wie feuerspuckende Drachen konnte jeder Hustenanfall mit Gemüse, Chapatti und Joghurt gemindert werden.
Um kurz nach elf Uhr beschlossen wir ins Bett zu gehen.
Ich konnte lange nicht schlafen da ich so viele Eindrücke verarbeiten musste. Wenn man draußen schläft bekommt man so viel mehr mit! Der Himmel war mit Sternen bestückt, neben uns zirpten die Heuschrecken und von fern hörte man die Pfauen schreien. Irgendwann fand ich aber dann doch meinen Schlaf.
Unser Abendessen

Sonnenaufgang und Frühstück

Um halb fünf Uhr morgens ging der erste Wecker. Wir trafen uns mit Banti um fünf Uhr vor dem Haus. Diesmal fuhren wir mit dem Jeep zur Düne. Da nun zusätzlich die drei Mädchen aus Setrawa dabei waren mussten wir  uns auf der Rückbank stapeln. Erneut musste die Düne bestiegen werden. Oben angekommen plumpsten wir in den Sand. Der Sonnenaufgang dauerte etwas länger war aber dafür unglaublich schön. Der Himmel wechselte Stück für Stück seine Farbe und erleuchtete die Landschaften bis schließlich die Sonne als orangener Kreis am Horizont auftauchte.
Danach wurden wir mit dem Jeep zu einer kleinen Farm gefahren. Einer der Männer die uns versorgten, der auch Vater eines Koches im Guesthouse ist, wohnt ganz in der Nähe und hält mit seiner Frau zusammen ein paar Tiere. Wir wurden zu einer Weide zwischen Feldern gebracht auf der drei Kühe und eine Ziege standen. Seine Frau melkte für uns eine Kuh allerdings erst, nachdem das Kälbchen getrunken hatte, welches die ganze Zeit daneben stehen durfte.  Ich durfte sogar frische Milch probieren. Dann durften wir an einer Ziege selbst Hand anlegen. Wir waren vorsichtig und wollten dem Tier nicht weh tun. In einer kleinen Hütte mit Strohdach in der Nähe wurde dann aus der frischen Milch Chai gekocht. Wir genossen den Tee in der aufkommenden Wärme und stärkten uns mit Keksen. Zurück bei unserer Unterkunft durften wir uns frisch machen und bekamen dann Frühstück. Gegenüber unseres Anwesens standen ebenfalls kleine weiße Hütten bei denen wir unser Essen bekamen. Es gab nicht etwa wie im Guesthouse Früchte oder gar ein Omelette. Nein es gab typisches indische Frühstück: Haferbrei mit Zuckerwasser und Joghurt. Obwohl ich wirklich nicht ein Breiliebhaber bin fand ich die Mahlzeit wirklich lecker.

Watching the sunrise

Die Sonne


Irgendwo im Nirgendwo

Fast schon wie ein Profi ;)



Chai aus frischer Milch
Frühstück




Mit Kamelen durch die Wüste

Dann war auch schon die Attraktion gekommen auf die wir uns alle schon so gefreut hatten: das Kamelreiten.
Banti bestellte für jeden von uns ein Kamel. Er achtete dabei darauf, dass er die zehn Kamele von unterschiedlichen Farmen bekam um jede Familie zu unterstützen. Sie kamen alle mit ihren Begleitern zu uns und wir durften uns ein "Gefährt" aussuchen. Ich entschied mich für den Kamelbullen Moti da er sehr ruhig wirkte und freundliche Augen hatten. Sein Begleiter war ein relativ junger Mann.  Ich stieg auf das liegende Kamel. Wirklich, ich sag euch, das Hoch und Runter ist das Witzigste beim Kamelreiten. Es schaukelt enorm doch man konnte sich gut am Sattel festhalten. Zusätzlich stemmte man die Füße in Schlaufen an den Seiten des Kamels was für einen sicheren Halt sorgt. Als alle oben waren konnte es losgehen. Die Kamele führten uns zwei Stunden durch die Wüstenlandschaft. Zwischendrin wurden oft Fresspausen für die Tiere oder Schattenpausen für die Begleiter gemacht. Diese Zeit konnten wir nutzen um Bilder zu machen. Die Kamele waren zwar ruhig aber dennoch war es schwer unter ihren schaukelnden Bewegungen Fotos zu machen. Ein paar kleine Jungs begleiteten uns die zeitweise auch ein Kamel mit uns teilten. Zum Glück wurde aber niemand auf seinem Wüstenschiff seekrank!
Noch etwas zu Moti: Er musste sehr oft die Fliegen verscheuchen die ihn wohl sehr juckten. Dies tat er dann mit dem heben eines Beines was mich jedes mal erschreckte. Ansonsten machte es ihm sehr viel Spaß als er bei einer Pause an einer Wasserstelle mit Wasser und Matsch herumspritzen konnte. Außerdem ging er immer absichtlich durch Büsche hindurch die mich an den Beinen streiften. Mein Begleiter sorgte jedoch die ganze Zeit für mein Wohlbefinden und wies Moti zurecht. 

"Kamele sind schon wirklich beeindruckende Tiere.  Sie sind riesig und haben wirklich große Füße. Sie strahlen eine unheimliche Ruhe aus und ihre Bewegungen haben schon fast etwas majestätisches an sich."
Die Karawane

so weit oben

Trinkpause

Moti und sein Begleiter




Es war dennoch ziemlich anstrengend und  warm und so waren alle "Wüstenprinzessinen" ,als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatten, ziemlich fertig.
Nach einem Mittagessen packten wir unsere Sachen und legten uns in den Hof auf eine Art Terasse unter schön kühlende Ventilatoren. Dort ruhten wir uns von der kurzen Nacht und von den vielen Eindrücken aus. Da es so warm war und es zusätzlich noch Stromausfälle gab beschlossen wir bald uns auf den Heimweg aufzumachen.

Abfahrt

Ein kurzes Stück mussten wir uns dann nochmal im Jeep stapeln bis wir Camille, Aurelia und Melina in der Siedlung von Setrawa absetzten. Diesmal fuhr jedoch noch ein zusätzlicher Passager mit. Der Junge musste sich hinten auf das Trittbrett stellen und sich an das Dach klammern. Wir sorgten aber bald dafür, dass er einen Platz bekam. Banti kaufte uns einen frittierten Kichererbsen-Snack (Pakora) der unsere restliche Fahrt etwas erträglicher machte. Nach weiteren Tausend Schlaglöchern und Überholmanövern kamen wir dann nach zwei Stunden Fahrt wieder in Jodhpur an.
Unsere Stapeltechnik

Pakora



Regentanz

Passend als wir vor dem Guesthouse hielten setzte der Regen ein. Roxanne, Alisea, Lauren und ich rannten in den Eingang des benachbarten Sportkomplexes. Der warme Boden unter unseren Füßen und das kühle Wasser von oben belebte uns. Und eins müsst ihr mir glauben, wenn es in Indien regnet dann aber so richtig! Die Tropfen sind riesig und eiskalt. Govind erzählte, dass er und seine Mutter sich bei Regen in den Innenhof unter eine Regenrinne stellen. Klar das Regenwasser ist reiner und gesünder als das Chlorwasser aus den Leitungen. Wir waren schnell klitschnass und gönnten uns danach trotzdem erstmal eine Dusche um den ganzen Staub und Sand abzuwaschen.




Erschöpft aber glücklich konnten wir so in eine neue Woche starten.


Kommentare

  1. Schön, dass ihr neben eurer Arbeit auch solche Ausflüge machen könnt und ihr dadurch auch die Einheimischen unterstützt.
    Zu Moti: es ist immer gut, wenn man bei der Auswahl des Partners in die Augen schaut :-)

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